Zum Berufsmusiker ohne Plattenvertrag

„Mensch Junge, lern doch was Vernünftiges!“, oder „Ich glaube nicht dass man später davon Leben kann!“. Das sind Worte die viele Künstler im Jugendalter von Familienmitgliedern, Bekannten oder Freunden zu hören bekommen. Und es ist auch verständlich. Zumindest war es das. Als ich mit 18 Jahren die ersten Klavierstücke schrieb, das war im Jahr 1999, war das Internet noch kein Thema. Es gab noch nicht die Möglichkeit Videos oder Musik auf einem gutem Weg über das Internet zu veröffentlichen und zu vermarkten. Und so glaubte auch ich nur sehr zweifelhaft an eine Karriere als Berufsmusiker. Weder kannte ich Mensch die von ihrer eigenen Musik Leben konnten, noch wurde ich von meiner Umgebung dazu motiviert es einfach zu probieren. Ich tat es trotzdem, aber vor allem aus Liebe zur Klaviermusik. Denn die war am Ende auf jeden Fall da, ob sie nun gehört wurde oder nicht. So nahm ich meine ersten Songs auf, denn tatsächlich war mir eine Möglichkeit gegeben, für die ich bis heute ungemein dankbar bin: Musiksoftware. 10 Jahre zuvor war es nur im Studio möglich einen Flügel in guter Qualität aufzunehmen. Das war teuer und aufwendig. Für einen 18 Jährigen, der gerade das Abi beendet hatte und mit dem Zivildienst begann, also unerschwinglich. Und so geban ich zu schreiben.

Zwei Jahre später war das erste Album mit dem Titel „Silent Mirror Inside „fertig. Und nicht nur das, langsam ganz langsam begann die große Revolution durch das Netz. MySpace etablierte sich als erstes soziales Netzwerk. Auch für Musik. Das sah fürchtlerich aus, war aber bereits der erste große Kanal um seine Musik einem breitem Publikum vorzustellen, wenn man nur hart genug daran arbeitete. Gleichzeitig erblickte unzählige neue MP3-Plattformen das Licht der Welt. Meine Strategie war, wenn ich meine Musik auf all diesen Portalen verbreitete, dann müsste zwangsläufig irgendwann jemand darüber stolpern. Ich wollte der Pianist sein, an dem man einfach nicht mehr vorbei kam. Eine wunderschön naive Idee. Denn tatsächlich konnte ich die ersten Hörer für mich gewinnen, jedoch waren die Playzahlen noch weit davon entfernt mir eine Karriere als Musiker zu eröffnen. So fing ich an Musikwissenschaft zu studieren machte, jedoch unentwegt weiter Musik.

Und dann fing das Internet zu laufen an. Nach diesen ersten Jahren des zögerlichen Krabbelns erhob es sich und rannte los. 2005 startete Youtube ihren Service, und schnell fanden Musiker heraus, dass es sich nicht nur für Katzenvideos eignete. Und so schnappte ich mir meinen sehr Kamera-affinen Jugendfreund Petja Gohr, um mit ihm Musikvideos zu drehen. Denn plötzlich gab tatsächlich eine echte Chance direkt von klavierverliebten Menschen entdeckt zu werden. Ab 2007 drehten unzählige Videos. Mal mit sehr viel Aufwand und mal ganz intim zuhause, mit etwas weniger. Immer jedoch mit dem Traum im Hinterkopf, dass wenn nur ein einziges Video über Nacht zum Klickmagneten würde, die Musikkarriere nicht mehr aufzuhalten sei. Dieses Video kam nie, aber dennoch kam es viel besser. Über die Jahre nahmen die Zuschauerzahlen nämlich langsam aber sehr stetig zu. Facebook wurde zunehmend populärer und einmal gab es mit diesem wesentlich besseren sozialem Netzwerk als MySpace, ein weiteres Medium um sich direkt ohne Plattenfirme mit seinen Hörern zu verbinden. Erst so war es mir schließlich möglich im Jahr 2012 mein erstes Konzert zu spielen, zu dem, auch Dank der Hilfe meines Veranstalters Moa Bachiri, 350 Menschen erschienen. Ein ausverkauftes Konzert im Französischen Dom im Berlin, einem der schönsten Plätze der Stadt. Eine große Ehre und zweifellos einer der schönsten und wichtigsten Tage in meinem Leben. Deshalb Dank liebe Internet. Es hat zwar 13 Jahre gedauert, aber Ende hast du mich und die ersten Klavierverliebten zusammengebracht. Und du tust es zunehmend mehr…

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